S kommt wie’s kommt
Ich gucke nach draußen, es ist morgens, die Vögel zwitschern
Leider kein schönes Klarinettenkonzert von Mozart im Hintergrund, das Internet spinnt. Es hat geregnet, ach wie herrlich. Das neue Schöne ist das Schlechte von gestern. Hat sich nur noch nicht bei den Sendern herumgesprochen.
Ich schlurfe ins Bad zurück, die Vögelchen im Ohr. Soll ich die Wohnung wirklich wechseln? Was wird mit der Neuen sein? Gibt’s da auch viele Vögel? Ich muss sie anfüttern, ok. Dauert bestimmt einige Wochen.
Am Wochenende war ein Mann bei mir, ein Mann, ja. Ein Linker, den ich auf einer Reise nach Serbien kennengelernt habe. Als er mir erzählt, dass er bei einer Benachteiligung beim Küchendienst in der WG die Klappe gehalten hat, weil sie vorher die Kriegsschuld diskutiert haben, blicke ich ihn wohl merkwürdig an. Danach geht er bald. Wieder allein, ich lüfte, atme auf.
In 14 Tagen fahre ich wohl an die Ostsee. Wie wird das Wetter sein? Vielleicht habe ich mich verliebt? Sicher nur ein bisschen, stark war früher. Ich rasiere mich weiter. Erst trocken. Alter Mann mit Falten und mehr Narben. Dann nass. Internet geht wieder, aber gibt aber keinen Mozart, es gibt Nachrichten mit dem Einschlag von zwei Iskander Raketen in Sumy. Sehe einen durchlöcherten Bus, brennende Häuser, zugedeckte Leichen.
Ich schneide mich bei der Nassrasur, Scheiße, nicht aufpasst
Es blutet ein wenig, während der Nachrichtensprecher weiter von der ballistischen Rakete spricht, die auch in Kaliningrad steht. Ich denke an meine Ex in Bela Crkva. Haben die Russen auch beschossen. War ich ok zu ihr? Es blutet weiter, ich tupfe dagegen an. Ich werde sie mal wieder kontaktieren, sie ist meldet sich nie, aber ich verstehe sie. Die Iskander hat 30 Menschen das Leben gekostet, 70 liegen im Krankenhaus. Eine Frau sitzt auf dem Asphalt, weint, behelmte Hilfskräfte halten ihren zitternden Körper, Arme und Hände. Ich muss ein Pflaster nehmen, es blutet weiter.
Ich fahre mit der U-Bahn, schlafe ein, ist halt Montag
Ich wache seltsam berührt auf, die Frau gegenüber guckt mich vestrört an, sie presst sich eine Hand auf den Mund. Ich weiß nicht, was sie will und stehe instinktiv auf, spüre was Nasses am Hals, fasse hin, habe viel Rotes an der Hand. Die blöde Wunde. Was blutet die so? Es ist nicht zu fassen.
Das Handy klingelt, ich steige aus, es ist meine Bekannte. Mit ihr will ich an die Ostsee. Während ich im Spiegel des Handys sehe, dass der Kragen meines Hemdes blutig ist, fragt sie mich nach dem Urlaub. Das Wetter in 14 Tagen? Keine Ahnung, sage ich und denke an Trump. Ich ziehe auf dem Bahnsteig das Hemd aus, das weiße T-Shirt ist noch ok. Ich werde ein wenig panisch wegen der vielen Leute und rufe meine Oma aus meinem Gedächtnis ab. Das beruhigt. Die Liebe ist mit einem Urlaub im Leben und jeden Abend Leberwurstbrot 99 geworden. Ich stehe auf der Rolltreppe und sage meiner Bekannten, dass es in 14 Tagen klappt, ganz bestimmt.